Heute erzähle ich dir von meiner Sehnsucht. Von der tiefen Sehnsucht, die keinen Namen hat, die so viele Gesichter hat, die keine für mich klar erkennbare Richtung hat. Sie zieht mich zum Meer, ins Blaue, Tiefe, Unendliche. Sie verspricht mir Heimat, Ankommen, Meinesgleichen. Sie lockt mit Freiheit, einem Sein ohne Zwänge, ohne Ansprüche von außen, einem Leben bestimmt aus meinem Inneren, mit großer Kraft und unerhörter Energie. Sehnsucht nach der Stille des Ozeans unter der Oberfläche. Sehnsucht nach tiefer Teilhabe an der Schöpfung, nach Verbindung, wirklicher Verbindung und Auflösung der Dualität. Mich mit allen Sinnen als Teil der Natur erleben. Früher habe ich mir gewünscht, mich im Dämmerlicht in ein Reh zu verwandeln, im Wald mein Rudel zu finden und mit ihm zu laufen, frei, kraftvoll, in Verbindung.

Die Sehnsucht hat viel eher eine Farbe als einen Namen. Sie ist blau und grün. Manchmal blau, wie der Sommerhimmel. Manchmal blau, wie der tiefe Ozean. Manchmal grün, wie der kühlende Buchenwald an einem gleißenden Sommertag. Meine Sehnsucht zieht mich fort, in die Bretagne, mit ihren wilden Küsten, fast schon karibischen Stränden, Land mit all den Sagen und Mythen, mystischen Orten und Legenden. Meine Sehnsucht zieht mich ans Meer, an die unendlich weiten Nordseestrände, an die ruhigere Ostsee mit ihren kleinen Häfen, in denen alle Boote mir zurufen: Setz die Segel! Fahr hinaus in die blaue Weite!

Aber da ist auch Sehnsucht nach Vertrautheit, nach Sicherheit, nach Bleiben. Bleiben in unserem gemütlichen Heim, unserem wunderbaren Garten, nach Heimat, die ich hier gefunden habe. Mehr eine Heimat der Natur, weniger der Menschen. Manchmal sehne ich mich nach Verschmelzung mit diesem Ort, so als wäre ich ein Baum und würde mich hier tief und still verwurzeln.

Aufbruch und Heimkehren sind miteinander verbunden. Ich glaube, letztendlich ist es eine Sehnsucht nach mir selber, nach dem Erleben von Einssein mit mir, mit dem Leben, mit der Natur, mit der ganzen Schöpfung, und dies ohne Kompromiss, ohne Zögern und Zurückhalten, in voller Hingabe, mutig, wild und frei. Vielleicht hat meine Sehnsucht doch einen Namen.

(Text und Bild: Anja Wallbaum)