Warum uns beim Schreiben der Kopf oft nicht hilft – und erst die Verbindung zu unserer inneren Stimme starke Texte hervorbringt
Unser Verstand, unser Denken, unser Kopf nehmen im Schreiben eine wichtige Rolle ein – vor allem, wenn es um die Strukturierung von zuvor „gesammeltem“ Material geht, um das Erstellen einer Buchgliederung oder das Überarbeiten von Texten. In manchen Momenten ist diese „Ratio“ jedoch nicht hilfreich, oft sogar hinderlich – immer dann, wenn es darum geht, an unsere tief in uns liegenden Themenschätze, an unsere ganz eigene, authentische Schreibstimme und an die Botschaften unserer Seele heranzukommen, die unseren eigentlichen Reichtum, die wahrhafte Intensität sowie die ganze Schönheit unseres Schreibens erst ausmachen.
Wenn wir beim Verfassen von Texten „nachdenken“, schreiben wir aus alten Vorstellungen heraus, aus den immergleichen, uns bekannten Themen-Kreisen. Das Wort verrät bereits den begrenzten Spiel-Raum: Wir denken immer nur nach – über das, was hinter uns liegt, was wir bereits erlebt haben, was wir kennen. Es kann auf diese Weise nichts originär Neues aus uns heraus entstehen, sondern immer nur Varianten des bereits Vorhandenen. Um überraschende, berührende Texte zu schreiben, müssen wir jedoch mit „Vor-Freude“ das einladen, was sich unserem Verstand entzieht, was lebendig und neu ist, was sich uns beim Schreiben erst – manchmal fast auf magische Art und Weise – zu erkennen gibt.
Du findest hier zunächst eine Reihe von Gründen, warum der übermäßige Einsatz des Kopfes, des Verstandes, des Denkens nicht immer förderlich für mitreißende, bewegende Texte ist. Danach skizziere ich die Vorzüge des intuitiven Schreibens mit und aus deiner Seele heraus.
Warum der Kopf beim Schreiben oft nicht hilfreich ist
1. Wir sind im Rahmen alter Konzepte und erlernter Methoden gefangen
Mit der Frage „Wie schreibe ich einen guten Text?“ sind zahllose Bücher, Schreibkurse und Unterrichtsstunden in der Schule gefüllt. Ich begegne in meiner Arbeit als Schreib- und Buchcoach jedoch immer wieder Menschen, für die gerade die Erinnerung an alte Schulaufsätze der Hauptgrund für spätere Schreibhemmungen ist. Sie versuchen, das „richtig“ umzusetzen, was seit dem Deutschunterricht als Maßstab „richtigen“ Schreibens in ihnen steckt. Die Folge sind meist schablonenartige, vorhersehbare und blutarme Texte – oder eben veritable Schreibblockaden, zumal diese alten Erinnerungen oft mit Benotung und damit Bewertung – oft negativer Art – verbunden sind. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: „Eigentlich müsste ein Schreibkurs nicht heißen ‚Wie lerne ich schreiben?‘ – sondern ‚Wie verlerne ich Schreiben?‘.“
2. Begrenzende Überzeugungen und alte Glaubenssätze bremsen uns aus
Sobald wir bekannten Schemata folgen oder uns in Bahnen von Bewertungskriterien bewegen – wie einst bei den Schulaufsätzen –, sind übertriebener Selbstkritik, dem inneren Zensor (m/w) oder mangelndem Selbst-Vertrauen in die Qualität unseres Schreibens Tür und Tor geöffnet. Wir bewerten es, teilen es in „gut“ und „nicht gut genug“ ein, halten uns selbst für zu wenig „begabt“. Dass auf diese Weise weder Schreibfluss noch Schreiblust gefördert werden, liegt auf der Hand. Mal haben wir schlechte Erfahrungen beim Präsentieren unserer Texte gemacht, mal liegen die Wurzeln mangelnden Selbstvertrauens und eines hinderlichen „perfektionistischen“ Blickes in anderen Lebenserfahrungen. So oder so bleiben wir mit unserem Schreiben stecken und verlieren meist auch gleich noch die Freude daran. Ich kenne neben dem weiten Feld der Beziehungen keinen anderen Bereich, der so zielgerichtet unsere tiefsitzenden Muster und Glaubenssätze triggert.
3. Wir bewegen uns immer nur in bekannten Grenzen und Themen
Unser Verstand kann nur innerhalb der ihm vertrauten Grenzen und Räume denken. Er greift dabei, quasi im Modus „Autopilot“, auf bekanntes Wissen und die entsprechenden Themen zurück. So bewegen wir uns unbewusst im immer gleichen Erinnerungs- und Gestaltungsraum, dem nichts in sich vollkommen Neues entspringen kann – selbst wenn wir meinen, dass wir mit größter Phantasie Geschichten erfinden. Sie entstammen weiterhin dem uns Erdenkbaren. (Deswegen ist Reisen an uns unbekannte Orte oder in andere Kulturkreise hinein oft so bereichernd, weil wir dort Neues kennenlernen und – oft im Wortsinn – neue Horizonte entdecken.)
“Du sollst dir kein Bildnis machen, heißt es von Gott. Es dürfte auch in diesem Sinne gelten:
Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfassbar ist.“
(Max Frisch)
Über das Schreiben zu sich selbst finden: Die Kunst, ein größeres Feld anzuzapfen und die inneren Schätze zu entdecken
Das, was wir mit Hilfe unseres Kopfes, des Verstandes, der lernten Mittel und Methoden er-schreiben können, muss also in einem begrenzten Rahmen bleiben. Es gilt nun, den Riegel vor der Tür dieses kleinen, uns bereits viel zu eng gewordenen Raumes wegzuschieben und in das unbegrenzte Feld der intuitiven Ideen, der erstaunlichen und manchmal atemberaubenden Impulse sowie der uns innewohnenden inneren Weisheit einzutreten.
Wir erweitern so den Bereich des Bekannten, Immergleichen, und betreten Neuland (das übrigens bei jedem erneuten Betreten immer wieder neu und überraschend ist, während unser „Nach-Denken“, wie eben schon beschrieben, immer in den uns bekannten Grenzen bleibt – egal, wie oft wir es probieren).
Die Vorteile und die Schönheit des intuitiven Schreibens in Verbindung mit unserer inneren Seelen-Stimme
1. Wir entdecken neue (auf- und anregende) Themen, Bilder und Muster
Wenn wir uns ganz auf den Raum neuer Möglichkeiten und Impulse einlassen, die wir nicht in unserem Kopf, sondern tief in uns und in der leisen Stimme unserer Intuition finden, entstehen oft erst jene Texte, die voller Originalität und spannender Inhalte sind. Indem wir, wenn wir uns zum Schreiben hinsetzen, nicht wissen, worüber wir schreiben, wie wir es formulieren und was auf uns wartet, wenn wir auf uns noch Unbekanntes zugreifen, öffnen wir einen bunten Raum, in den das Neue hineintreten kann. Wir werden von unserer eigenen inneren Stimme überrascht und finden so Worte und Bilder, auf die wir mit bloßem „Nach-Denken“ nie gestoßen wären – und unsere Texte strahlen die Frische und Lebendigkeit ganz neuer Erfahrungswelten aus.
2. Wir finden unsere unverwechselbare Schreibstimme
Je mehr wir lernen, uns mit unserer inneren, intuitiven Stimme zu verbinden, desto „echter“ und gleichzeitig kraftvoller wird unser Ausdruck. Wir versuchen nicht mehr, bestimmte Schreibstile zu kopieren oder besonders „gut“ zu schreiben, wie uns in der Schule beigebracht wurde, sondern finden Erfüllung im Akt des Schreibens selbst. Das befreit uns von unseren alten Vorstellungen, wie unsere Schreibstimme zu klingen hätte – denn wir geben uns ganz dem hin, was sich von alleine durch uns ausdrücken möchte. Ohne es zu merken und ganz ohne Druck wachsen wir bei regelmäßigem Schreiben immer mehr in unseren ganz persönlichen, einzigartigen Ausdruck hinein.
3. Wir kommen an unsere Kernthemen heran
Der Grund für kraftlose, schematische oder „aufgesetzt“ wirkende Texte liegt manchmal darin, dass wir über etwas schreiben, das uns selbst gar nicht wirklich (emotional) berührt, weil wir eine zu große Distanz dazu haben. Man merkt es Texten einfach an, ob sie mit Herzblut und Leidenschaft geschrieben worden sind oder nicht. Erst, wenn wir uns die Freiheit gestatten, einfach dem zu lauschen, was sich in uns beim Schreiben zeigt, können jene Themen an die Oberfläche unseres Bewusstseins treten, um die wir zuvor oft (unbewusst) einen Bogen gemacht haben. Natürlich gehört Mut dazu – nicht umsonst haben wir bestimmte Bereiche und Themenfelder so lange vermieden. Die Erfahrung im Coaching und in den Schreibgruppen zeigt jedoch immer wieder, dass wir, wenn wir bereit zur „Selbsterforschung“ sind, aufs Schönste mit berührenden, starken Texten mit großer emotionaler Kraft belohnt werden. Wenn wir dabei achtsam und bewertungsfrei mit uns selbst umgehen, laufen wir keine Gefahr, dass es „zu viel“ werden könnte. Denn wir wissen: Alles, was sich zeigt, zeigt sich nur deshalb, weil es sich zeigen möchte – und auf diesem Weg erlöst und in Frieden angenommen oder losgelassen werden kann. Das Schreiben ist ein hervorragender Begleiter bei diesem Prozess. Und eigentlich immer bringen diese Themen aus unserer Tiefe besonders wertvolle Einsichten, Erkenntnisse oder Aha-Momente mit sich, die zu Texten führen.
Im “Seelenschreibraum” findest du Unterstützung,
Inspiration und Impulse für dein Schreiben:
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4. Wir gewinnen eine von innen kommende Schreibmotivation
Wenn du mit der inneren, intuitiven Stimme deiner Seele verbunden bist, ist es gar keine Frage, ob du „jetzt gerade Lust hast“, dich zum Schreiben hinzusetzen. Du kannst gar nicht anders. Es wäre für dich viel schlimmer, jetzt nicht zu schreiben. Das, was in dir ist, muss raus. Es geht um keine äußere „Belohnung“, die stimmungsabhängig ist und in der Regel keinen langanhaltenden Reiz ausübt, sondern um die Erfüllung, die Freude und manchmal sogar die Ekstase des Schreibens selbst. Darum, dich mit dir innig zu verbinden, dich selbst und deine ganze innere Schönheit noch einmal neu kennenzulernen und deine „Schätze“ schreibend in die Welt zu bringen. Schreibblockaden adé – die berühmte „intrinsische Motivation“ ist auf diese Weise ein Selbstgänger.
5. Alte, begrenzende Glaubenssätze lösen sich auf
Es gibt nur einen Weg, alte Glaubenssätze loszulassen oder zu transformieren: Indem wir neue Erfahrungen machen. Wenn du statt Grübeleien, ob dein Schreiben „gut genug“ ist, ob überhaupt jemand deine Texte lesen möchte oder ob du nicht in grandioser Selbstüberschätzung zu hoch greifst, dich „Autor“ oder „Autorin“ zu nennen, dich einfach mit deiner inneren Schreibstimme verbindest, erlebst du plötzlich, was da alles aus dir und durch dich auf das Papier oder den Bildschirm hinausströmt. Wenn du so in dein Erschaffen eintrittst, sind alte Bewertungen schneller weggefallen, als du es mitbekommst. Du schreibst, weil du schreibst, weil sich deine Seelenstimme dir mitteilen möchte, weil du Freude und Glück dabei empfindest. Wenn du aus so einem Schreibfluss wieder „auftauchst“, merkst du vielleicht plötzlich auch, dass die bewertende, verurteilende Kritikerstimme sich gar nicht gemeldet hat. Und dann möchtest du einfach genau so weitermachen …
Die Verbindung zu deiner inneren intuitiven Stimme ist alltagstauglich
Je öfter du dich beim Schreiben mit deiner Intuition und deiner inneren Stimme verbindest und so den Zugang zu ihnen stärkst, desto hilfreicher werden sie für dich als allgemeine Richtungs- und Orientierungshilfe sein. Wann sind deine besten Schreibzeiten, welches ist dein idealer Schreib-Ort oder der produktivste Rahmen für dich? Frage deine innere Stimme, lass sie entscheiden. Dehne diese Haltung immer mehr auch auf andere Lebensbereiche aus – wann immer du Fragen hast, Entscheidungen treffen muss oder hilfreiche Impulse wünschst, lass dich von deiner Intuition und deiner „Ein-Gebung“ führen. Vertraue darauf – und widerstehe dem Drang, die intuitiv gewonnenen Antworten mit deinem Verstand zu hinterfragen!
Übung zur Verbindung mit der intuitiven Seelen-Stimme
Setze dich bequem und hin und entspanne bewusst. Schließe deine Augen und atme ein paar Mal tief ein uns aus. Verbinde dich bewusst mit dir selbst, indem du deine Körperempfindungen wahrnimmst, deinen Atem beobachtest oder deine Hände auf dein Herzzentrum legst.
Stell dir vor, dass du ein großer, leerer Raum bist, der nun gefüllt werden darf mit dem, was dich erreicht. (Das ist konträr zu allem, was wir gelernt haben, wenn es darum ging, aus unserem „vollen Raum“ des Wissens zu schöpfen.)
Aus dieser inneren Ruhe heraus nimm deinen Stift und „lausche“, welches Bild, welches Gefühl, welcher Gedanke, welche Erinnerung zuerst kommt. Das, was kommt, ist immer richtig, weil es kommt. Schreibe auf, was du wahrnimmst. Stelle dir dabei vor, dass das Leben dir den Text diktiert – du weißt nicht, was als nächstes kommt. Lass dich überraschen! „Höre“ immer nur die nächsten Wörter oder den nächsten kurzen Satz – und schreibe weiter, während du hörst. Das gleichzeitige Empfangen und Schreiben kann am Anfang Übung erfordern, aber je öfter du dich auf diese Weise mit dir und deiner inneren Führung verbindest, desto leichter und oft auch ergiebiger wird es.
Wenn du eine Seite (oder wie viel du möchtest) vollgeschrieben hast, lege deinen Stift hin, bedanke dich und atme noch ein paar Mal bewusst ein und aus. Wenn du magst, kannst du jetzt deinen intuitiv entstandenen Text, dein „Diktat deiner Seele“ lesen – du wirst überrascht sein, welche „Perlen“ du darin findest!
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